Ausführlicher Spielbericht: BSG Wismut Gera – FC Einheit Rudolstadt 3:4 (1:0)

Einheit erzwang Spielglück in dramatischer Schlussphase

Man konnte es aus den unterschiedlichen Gesichtszügen der Zuschauer nach 101 Minuten ablesen, dass sie da eben ein höchst ungewöhnliches Oberligaspiel im Stadion Am Steg gesehen hatten. Während die einheimischen Besucher inklusive der Aktiven ein ungläubiges Staunen aufgesetzt hatten und ziemlich „bedröppelt“ vom Gelände in Gera oder in die Kabine stapften, sah man in den Minen der Rudolstädter Anhänger viel Verwunderung, aber auch nach und nach ein vorsichtiges Staunen. Und als der Verfasser im Presseraum der Wismut auftauchte, eilte Geras Urgestein Udo Korn (73), den der Autor dieses Beitrags auch als Thüringenliga-Trainer kennt, auf denselben zu und gratulierte zu einem verdienten Sieg. Auch Herrmann Just, ehemaliger Vereinschef und Vater von Torwarttrainer und Ex-Spieler Alexander Just, einem Lehrerkollegen, sprach Glückwünsche aus.

Da muss man sich schon sehr wundern, dass im kurzen Spielbericht auf der Seite des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) von einer „verdienten Führung der Gastgeber“ in der 1. Halbzeit geschrieben wurde. Und auch das Tor von Marco Riemer erfolgte keineswegs per Kopf. Dass, natürlich ohne Namensnennung, wie in allen NOFV-Beiträgen zu den Oberligaspielen zuvor, der Feldverweis fehlte, passt ins Bild, hat aber nichts mit Datenschutz zu tun. Leider sind das nicht die ersten groben Schnitzer in den NOFV-Berichten … .

Aber zurück zum Spiel in Gera. Das begann der Gast mit viel Mut und drei Eckbällen bis zur 12. Minute, die so wie die Gelegenheit von Florian Giebel nichts Zählbares einbrachten (5.). Es folgten Möglichkeiten von Sven Rupprecht (14., 19.) und Marco Riemer (18.).

Erst nach 23 Minuten lag das Leder für die Hausherren erstmals im Halbkreis an der Eckfahne. Kurz darauf ein Freistoß von der Außenlinie für die Wismut. Aber auch hier wurden die Tornetze „geschont“ ebenso wie bei den Chancen von Maximilian Schlegel (33./Freistoß) oder den Flugkopfball von Riemer (38.). nach der fünften Ecke. Als auch Ron Wachs mit einer artistischen Einlage das gegnerische Gehäuse nicht traf (42.), schien sich alles auf eine torlose erste Halbzeit einzupendeln.

Doch da hatte die Einheit die Rechung nicht ohne die Geraer gemacht. Hamadou Diagne setzte Califo Baldé in Szene – der Spanier und der Mann aus Guinea-Bissau waren wie 15 andere Akteure zur Wismut gewechselt – und der nutzte, so wie Holger Jähnisch sagte, seine Klasse, um beim Konter durchzumarschieren und flach aus 16 Metern einzunetzen. Es war die einzige echte Gelegenheit in der 1. Halbzeit für die Gastgeber … .

Doch der erfahrene Oberligacoach aus Rudolstadt blieb optimistisch. „Nach dem 0:1 ist bei unseren Spielern – das zieht sich über die gesamte Saison hin – der Glaube weniger geworden. Als Trainer hat man oft ein Gespür und sagt ‚weiter geht es’ oder ‚wir ziehen das noch’ und hat trotzdem nicht so richtig die Überzeugung. Doch heute hatte ich in der Pause die Überzeugung, dass wir auf alle Fälle hier etwas mitnehmen können.“

Nach dem Seitentausch erhöhte der FC zwar sein Eckenkonto, aber die Begegnung verlief zunächst für 20 Minuten meist im Mittelfeld, ohne dass eine Mannschaft klare Chancen kreieren konnte. Erst als die Geraer Deckung irgendwie ungeordnet wirkte, bediente Wachs Riemer, der mit einem Flachschuss aus 15 Metern einnetzte (66.). Nicht nur wegen dieses Treffers lobte Jähnisch seinen Zehner: „Er hat sich durch die ganze Woche mit Krankheitssymptomen geschleppt und heute einmal mehr als Kapitän gezeigt, wie wichtig er für unsere Mannschaft ist und welche Qualität er hat.“

Dieser Ausgleich war nicht nur für den Trainer der Rudolstädter, sondern auch für die zahlreich mitgereisten Fans der Schillerstädter so etwas wie ein Brustlöser. Während die Gäste mit einem Freistoßhammer von Schlegel demonstrierten, dass sie nicht nur einen Punkt wollten (74.) – auch die Eingabe danach zeigte keine Wirkung – und an sich glaubten. Wenig später kam Gera beim Schuss von Baldè, der aber vorbei ging, zur ersten Chance im zweiten Durchgang.

Als sich Schlegel bei einem Freistoß erneut das Spielgerät schnappte, bediente er Robin Ensenbach und der junge ehemalige Kreisoberliga-Akteur schweißte die Kugel lehrbuchmäßig per Kopf ein (77.). Als nur 60 Sekunden später Wachs wiederum per Kopf traf und auf 3:1 stellte, schien der „Deckel auf der Partie zu sein“.

Aber die Wismut kam, sehr zur Freude von Trainer Steffen Geisendorf, wieder zurück: „Großes Kompliment an meine Jungs, die  sich mit dem, was sie haben, dagegen wehrten und mit dem 3:3 wie schon in Halberstadt wieder zurück kamen.“ Denn Marcel Kießling köpfte eine Flanke von rechts ein (81.) und in der Nachspielzeit (90.+2) prallte das Leder vom Körper Tom Krahnerts, der wurde vom eingewechselten Tom Seidel noch bedrängt, ins eigene Tor.

Aber der Mittelfeldspieler machte seinen „Fehler“ wieder gut und versenkte die Kugel per Kopf, als ihm Tommy Barth diese servierte (90.+6). Vorausgegangen war ein völlig unnötiges Foul von Jan Frackowiak, der aus Polen und  Heiligenstadt in die Ostthüringer Metropole gekommen war, in Höhe der Mittellinie an „Zwergi“ Baumann, Der musste danach länger behandelt werden und stark humpelnd das Feld verlassen. Die Diagnose erfahren wir heute nach seinem Arzbesuch.

Nach weiteren zweiten Minuten beendete der sicher und unauffällig leitende Unparteiische die dramatische Begegnung.

Zu der sagten die Trainer: „Es war das intensive Spiel, was unter der Woche bereits diskutiert wurde. Am Ende war es vom Ergebnis her für uns maximal ernüchternd, weil wir in Halberstadt schon so etwas Ähnliches durchhaben. Trotzdem möchte ich nicht auf die Spieler pochen, die heute gefehlt haben, sondern auf die, die heute auf dem Feld standen. Am Ende braucht man auch ein wenig Spielglück, um den letzten Schritt zu machen. Das sind alles aufbauende Spieler, die ihren nächsten Schritt gehen müssen. Da merkt man einfach, dass da die letzte Routine, der letzte Punch, die letzte Widerstandsfähigkeit in der Entwicklung fehlen. Und das gerade, wenn sie 80 Minuten in den Beinen haben und fighten und kämpfen. Diesen letzten Schritt zu machen, fehlt uns aktuell im Kampf um den Klassenerhalt.“ (Steffen Geisendorf)

„Wir sind erst einmal happy, dass wir einen Dreier eingefahren haben. Das war heute für uns wohl der letzte Joker. Man kennt und schätzt sich und wir wussten, was uns heute erwartet. Wir haben das zu Beginn richtig gut gemacht, haben hoch gestanden und versucht, den ersten Ball zu pressen. Aber es zeichnet auch die Wismut aus, dass sie nach einer Umstellung durch Standards zu Torerfolgen gekommen ist. Da hat sich meine Mannschaft nicht gut angestellt, weil wir die Schützen auf Lücke gelassen haben. Das hat mir nicht gefallen.

Doch das wir das ‚Ding’ hinten heraus ziehen, haben wir einfach mal gebraucht. Denn wir hatten in den letzten Wochen und Monaten so viele Entscheidungen gegen uns und das Spielglück hat sich oft gegen uns gewendet. Wir haben das heute zurück erzwungen.“ (Holger Jähnisch)

Die Statistik

BSG Wismut:

Cap, Güttich, Schubert, Kießling, Imani (79. Seidel), Linnemann, Frackowiak (90.+4 RK), Diagne, Hoffmann (77. Futi), Baldè, Schädel

FC Einheit
Bresemann, Giebel, Schlegel, Ensenbach (90. Siegel), Riemer, Krahnert, Stelzer (62. Häußer), Riemer, Krahnert, Baumann, Rupprecht, Wachs (88. Lüdicke), Barth

Schiedsrichter: Lucas Leihkauf, Zuschauer: 423

Torfolge: 1:0 Califo Blade (45.), 1:1 Marco Riemer (66.), 1:2 Robin Ensenbach (77.), 1:3 Ron Wachs (78.), 2:3 Marcel Kießling (81.), 3:3 Tom Krahnert (ET/90.+2), 3:4 Tom Krahnert (90.+6)

Hartmut Gerlach

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