Wie lange können sieben Minuten sein?
Spätestens als im schmucken Ludwigsfelder Waldstadion das 3:1 für den FC Einheit Rudolstadt durch den eingewechselten Robin Ensenbach fiel, geriet die Partie vor den Toren von Berlin fast zur Nebensache. Denn nun hatten vor allem die Bank, aber auch viele der mitgereisten Fans aus Thüringen – unter ihnen waren mit Dietrich Ortloff und Wolfgang „Steuer“ Lorenz bekannte Rudolstädter – praktisch eine Standleitung über FuPa ins Geraer „Stadion am Steg“ geschaltet. Besonders komfortabel war die Lage für den diesmal nicht eingesetzten Max Bresemann, der nahezu pausenlos mit dem Sportlichen Leiter Tim Ackermann in Gera kommunizierte.

Aber da es beim so wichtigen Duell in der ehemaligen Bezirkshauptstadt zwei Trinkpausen gab, war klar, dass die Partie später endete. So bildete sich eine dichte Traube von Spielern und Offiziellen nach dem Abpiff um Bresemann, dessen Handy an diesem Nachmittag wohl der gefragteste Gegenstand überhaupt war.

Während einige der mitgereisten Fans schon vorfristig feierten, gab es für die Zuhörer erst nach mehr als sieben Minuten die Erlösung. Ein Jubelschrei macht es deutlich: Gera hatte die Begegnung gegen Auerbach verloren und die Vogtländer hatten damit dafür gesorgt, dass die Einheit auch im 14. Jahr in Folge in der 5. deutschen Liga vertreten sein wird. Ob es die Wismut auch noch schafft, hängt unter anderem vom Ausgang des Relegationsspiels Lok Leipzig bei Havelse am heutigen Sonntag und von einer möglichen Relegation ab.

Doch ehe die Gäste gemeinsam mit ihren Anhängern auf dem Rasen ausgelassen feierten, hatten sie bis Spielminute 75 ein hartes Stück Arbeit zu bewältigen. Denn der Gastgeber, der bereits seit längerem als Absteiger feststand, wollte vor allem seinem scheidenden Kapitän Ricardo Franke vor immerhin 200 Besuchern einen würdigen Abschied bereiten. So begann er selbstbewusst und prüfte Maurice Geenen schon nach fünf Minuten mit einem Freistoß. Es folgte eine sehr gute Möglichkeit durch Aaron Eichhorn, der aber zu lange mit dem Abschluss wartete und zudem den Ball nicht richtig traf (8.).

Dann meldete sich auch der Gast zu Wort. Aber weder Sven Rupprecht (10.) noch Marco Riemer, der gleich zwei Mal Richtung LFC-Tor schoss, (14.) waren erfolgreich.

Nach 20 Minuten konnten die Thüringer erstmals jubeln. Eine Flanke landete irgendwie bei Riemer, wobei hier auch Marius Fleddermann mit im Spiel war, dem der Treffer als Eigentor vom souveränen Berliner Schiedsrichter zuerkannt wurde. Von dessen Schulter landete das Spielgerät im Kasten der Platzelf. Dass der Stadionsprecher mit einer deplazierten Aussage diesen Treffer kommentierte, passte so gar nicht in die Lobensworte von Holger Jähnisch für den LFC. Denn er sagte: „Ich muss aber auch der Gastgebermannschaft ein Dankeschön sagen. Wir haben die letzten Jahre einen sehr guten Draht mit Ludwigsfelde gehabt. Man kennt und schätzt sich.“

Das Match verlief weiter ausgeglichen, aber Geenen musste ebenso in höchster Not klären (29., 41,) wie sein Vordermann Toni Stelzer (42.). Doch dann war er machtlos, als die Deckungsreihe der Rudolstädter nicht gut stand, Lennard Quanz frei durchlief und überlegt vollendete (44.).

Im zweiten Durchgang wirkten die ganz in Schwarz aufgelaufenen Schillerstädter engagierter, agierten druckvoller und schraubten so nach und nach das Eckenverhältnis in die Höhe. Aber man war im Glück, als ausgerechnet Franke eine sehr gute Gelegenheit nicht nutzte und über das Gestänge schoss (54.). „Ich hätte mir schon sehr gewünscht, dass er in seinem Abschiedsspiel ein Tor erzielt“, sagte Cami zu dieser Szene.

Nach einem Abseitstor (64.) des FC dauerte es nicht mehr lange bis zum 2:1 für die Einheit. Nach einer nicht gut genug geklärten Ecke, die wie alle anderen Maximilian Schlegel nach innen brachte, hielt Markus Baumann volley drauf und traf unhaltbar (66.). Die Jubelszene mit Freunden und der Mannschaft danach zeigten, welche Steine den Rudolstädtern hier von den Herzen plumpsten.

Kurz darauf die Spielentscheidung. Erneut bildete ein Eckstoß die Grundlage dafür. Ensenbach lief schulbuchmäßig ein und köpfte das Leder mit Wucht in die Maschen (75.).

Das vierte und letzte Tor war sehr gut herausgespielt. Schlegel eroberte den Ball, spielte Riemer an, dessen Pass fand Ron Wachs und der junge Gästespieler sah den freien Ensenbach. Der donnerte das Spielgerät unhaltbar per Flachschuss in die Maschen (79.).

Mit einem Kopfball von Riemer, den er über den Kasten setzte (87.), ging ein Spiel zu Ende, das in der Schlussviertelstunde nicht mehr für alle die höchste Priorität hatte. Ausdruck dessen waren auch zahlreiche Wechsel sowie die würdevolle Verabschiedung von Ricardo Franke in Spielminute 88.
In der Pressekonferenz, die wegen der Jubelszenen auf dem Rasen später stattfand, analysierten die Trainer so das Spiel: „Es war eine gelungene 1. Halbzeit und so haben wir in der 2. auch begonnen. Die Tore sind dann viel zu einfach gefallen und dass die Mannschaft nach dem 1:2 so komplett bricht, ist das gleiche Bild, was wir hier fast in jedem Heimspiel erlebt haben. Wir machen ein gutes Spiel und am Ende verlieren wir.“ (Rezat Cami).
„Wir sind erst einmal überglücklich, dass wir hier und heute am letzten Spieltag den Abstieg von der Schippe gesprungen sind. Wir hatten in der Saison viele Unwägbarkeiten und viele unglückliche Ergebnisse. An denen hatten wir aber auch so ein bisschen unseren eigenen Anteil. Aber wir haben an uns geglaubt und deshalb haben wir die letzten fünf Spiele erfolgreich gestaltet. Wir wollen, auch nach dem Zorbau-Spiel, in die Relegation. Dass es jetzt direkt geklappt hat, ist umso schöner.
Ich bin megahappy. Ich mache das jetzt seit 14 Jahren und wir spielen seit 13 Jahren in dieser Liga. Es war für mich der dramatischste und schönste Klassenerhalt so kurz vor Toresschluss.“ (Holger Jähnisch).
Ein bedeutungsvoller Satz, der vieles ausdrückt, was die Einheit im 13. Oberligajahr ausmachte, kommt von Tim Ackermann aus Gera: „Diese Truppe lebte ab dem Tag, als sie uns alle für tot erklärt haben.“
Ach so: Natürlich haben auch mehr als sieben Minuten mal ein Ende … .
Die Statistik
Ludwigsfelder FC
Löffler, Sanatci, Schwarz (88. Pumpe), Dag, Hijazi (61. Hofmann), Fleddermann, Quanz (68. Amangoua), Franke (88. Landweer), Eichhorn, Kardjilov, Alhasan
FC Einheit:
Geenen, Giebel, Floßmann (37. Siegel), Schlegel, Riemer (88. Lüdicke, Krahnert, Stelzer (58. Ensenbach), Baumann (88. Trunk), Rupprecht, Wachs (88. Häußer), Barth
Schiedsrichter: Bela Wiethüchter, Zuschauer: 200
Torfolge: 0:1 Marius Fleddermann (20.ET), 1:1 Lennard Quanz (44.), 1:2 Markus Baumann (66.), 1:3, 1:4 Robin Ensenbach (75., 79.).
Hartmut Gerlach