Es gibt aus meiner nun schon 13 Jahre andauernden Sicht der Fußball-Oberliga niemanden in dieser Spielklasse, der sich wie Tom Rietzschel so viel Mühe gibt, um den Gegner der Sachsen vorstellen. Er ist Mitglied im erweiterten Vorstand, leitet die Geschäftsstelle sowie die Medienabteilung, ist Ansprechpartner und Teammanager für die 1.Mannschaft. Ich kenne den vor 44 Jahren in Borna geborenen Tom,, der als Teammanager beim Bornaer SV, dann beim FC Grimma, Chemie Leipzig (2018/19) und 2020/21 Rückkehrer in dieser Funktion in das Tal der Mulde noch von seiner Zeit bei den Leutzschern.
Das ist seine Sicht der Dinge:
„Zu Gast bei „ekligen Rudolstädtern“
Grimma. Man kann unter den Mannschaftsverantwortlichen der Oberliga fragen, wen man will – wenn man erwähnt, dass man in Rudolstadt spielt, ist die Antwort meist vorprogrammiert. Dabei ist das Wort „undankbar“ meist noch harmlos, der Begriff „eklig“ kursiert deutlich öfter durch das Sprach-Repertoire der Oberliga-Kompetenzträger.
Dabei trifft dieses Wort zu einhundert Prozent zu – die Begegnungen im Städtischen Stadion sind aufgrund der Heimstärke und der Kampfkraft der Thüringer nie ein Selbstläufer, ganz im Gegenteil.
Die Oberliga-Kicker des FC Grimma haben am Wochenende nun diese Auswärts-Aufgabe zu lösen – wohl wissend, dass auch diesmal auf die Muldestädter einiges zukommt. Zwar hat die Mannschaft von Trainer René Behring nach den jüngsten Erfolgen gegen Halberstadt und im Pokal gegen Eilenburg etwas Selbstvertrauen getankt und steht mit 13 Punkten aktuell auf Tabellenposition fünf, doch ist dies absolut kein Grund, bereits das Ruhekissen in Anspruch zu nehmen.
Die derzeitige Situation ist nicht mehr als eine wunderschöne Momentaufnahme, doch mit der aktuellen Punkteanzahl hat noch niemand in der Oberliga die Klasse gehalten.
Dementsprechend ist die Elf am Wochenende wiederum gefordert, zumal man in Rudolstadt von der ersten bis zur letzten Minute konzentriert auftreten muss. Wenn nicht, passiert genau so etwas wie in der vergangenen Saison, als man im November des Vorjahres beim damaligen Schlusslicht in Rudolstadt mit 1:4 verlor. Dass das Grimmaer Gesicht aufgrund einigen personellen Veränderungen nicht mehr dieses der Vorsaison ist, bleibt natürlich unbestritten – allerdings ist es nicht unwichtig, einigen Sachen vorzubeugen, damit so etwas eben nicht noch einmal passiert. „Wir wollen wieder aktiv Fußball spielen und den Gegner über 90 Minuten stressen“, so die Vorgabe von Trainer René Behring. „Zwar wissen wir um die Heimstärke Rudolstadts, doch wollen wir auch dort etwas mitnehmen.“ Der Anstoß im Städtischen Stadion erfolgt am Sonntag um 14.00 Uhr.
Wenn man genau dieselben Mannschaftsverantwortlichen nach dem prägenden Gesicht des FC Einheit Rudolstadt befragt, kommt die Antwort „Holger Jähnisch“ bei fast allen wie aus der Pistole geschossen. Der 54-jährige Trainer, der von Juli 1999 bis Juni 2006 bereits als Spieler für den Verein aktiv war, ist mittlerweile der dienstälteste Coach der Oberliga Süd. Einzig mit der Rathenower Institution Ingo Kahlisch (seit 1989) kann der ehemalige Abwehrspieler nicht ganz mithalten, ansonsten ist Jähnisch seit Sommer 2011 fast ununterbrochen auf der Einheit-Bank zu finden. Einzig eine kurze Pause von Juli bis Anfang November des vergangenen Jahres hat der ehemalige Oberliga-Spieler des SV JENAer Glaswerk zu verzeichnen, ehe er die damals abstiegsbedrohten Rudolstädter erneut übernahm und am Saisonende mit seinem Team den Klassenerhalt sicherte.
„Die Pause hatte ich dringend gebraucht, nach solch einer langen Zeit in der Verantwortung war ich einfach leer“, so der Einheit-Coach. „Eigentlich wollte ich auch gar nicht so schnell zurück auf die Trainerbank, doch nachdem Rudolstadt anfragte, in einer schwierigen Phase zu helfen, habe ich doch wieder zugesagt.“
Nach Jähnisch’ Abgang im vergangenen Sommer hatte man unter Nachfolger Jürgen Walther arge sportliche Probleme und fand sich schnell in den Niederungen der Tabelle wieder. Nach einer Anfrage des Vorstands der Einheit gab Jähnisch Anfang November sein „Ja-Wort“ und startete gleich mit einem 4:1-Erfolg über die Grimmaer. Dieses Spiel ist dem 54-Jährigen natürlich noch in guter Erinnerung – das Rückspiel Mitte Mai an der Mulde jedoch auch. Vier Spieltage vor Schluss reiste Rudolstadt mit einem Punkt Rückstand auf den FC an die Mulde – und war nach einer 1:2-Niederlage in allergrößten Abstiegsnöten.
Allerdings konnte Jähnisch, der mit den Rudolstädtern im Sommer 2012 in die Oberliga aufstieg, mit drei Siegen aus den letzten drei Begegnung noch den Klassenerhalt bewerkstelligen und kam in der Endabrechnung sogar noch zwei Punkte vor den Grimmaern ein.
Dass es auch in dieser Saison ausschließlich darum geht, erneut die Klasse zu halten, gibt der Coach offen zu. „Wir müssen wieder eine Entwicklung vorantreiben, da wir wiederum eine Vielzahl von jungen Spielern dazubekommen haben“, so Jähnisch. „Ich bin mir jedoch auch sicher, dass dies noch bis zum Winter brauchen wird.“
Aktuell befindet sich der FC Einheit mit acht Zählern auf Rang 12 der Tabelle – der Vorsprung zur Abstiegszone beträgt derzeit nur ein mageres Pünktchen. Doch zeigen die Überraschungssiege gegen Krieschow und den RSV Eintracht 1949 (jeweils 3:2) sowie die Punktgewinne in Halberstadt (3:3) und Bautzen (2:2), dass im Kader einiges an Qualität vorherrscht. Von Leitwolf Marco Riemer angeführt, haben die Rudolstädter im Pokal zuletzt mit einem 6:0-Erfolg in Ilmenau ihre Pflicht getan, wo man nun im Viertelfinale mit dem Heimspiel gegen den FC Carl Zeiss Jena ein echtes Highlight vor der Brust hat. „Zwei, drei Zähler fehlen uns aktuell in der Oberliga, jedoch ist ein stetiger Entwicklungsschritt der Mannschaft absolut zu erkennen“, so Jähnisch. „Man darf dabei allerdings nicht vergessen, dass wir mit Halberstadt, Krieschow, Halle 96, Magdeburg oder auch Stahnsdorf bisher auf einige Schwergewichte der Oberliga getroffen sind. Demzufolge bin ich optimistisch, dass wir in den kommenden Wochen auch Ergebnisse erzielen werden, die uns in der Tabelle weiterhelfen.“
Dabei hofft Jähnisch bereits schon auf das Aufeinandertreffen gegen Grimma, obwohl er den Muldestädtern großen Respekt zollt. „Der Grimmaer Kader hat sich gegenüber der Vorsaison schon entscheidend geändert, wobei die Siege über Bischofswerda und Halberstadt sowie im Pokal gegen Plauen und Eilenburg natürlich unterstreichen, welch Qualitäten die Mannschaft besitzt. Es waren in der Vergangenheit oft Spiele auf Augenhöhe – damit rechne auch diesmal. Grimma hat in Sachen Erfahrung sicherlich einen kleinen Vorteil, so werden wir natürlich versuchen, den Schwung aus dem Pokalspiel gegen Ilmenau mitzunehmen. Ich denke, dass Kleinigkeiten über den Spielausgang entscheiden werden.“
Im Grimmaer Lager ist man natürlich bestrebt, die sehr ansprechende Vorstellung gegen Eilenburg auch in Thüringen fortsetzen zu können. Vor allem, wie man die zweiten 45 Minuten gegen den Regionalligisten abspulte, macht durchaus Lust auf die kommenden Aufgaben. „So schön wie der Sieg im Mulde-Derby auch war – die Begegnung in Rudolstadt ist wieder eine komplett andere“, hebt Trainer René Behring mahnend den Zeigefinger.
„Wenn wir weiter auf dem Punktekonto anschreiben wollen, müssen wir mit derselben Einstellung wie gegen Eilenburg zu Werke gehen und eine ähnliche Leistung abrufen. Wie schnell es gehen kann, wenn man als Kollektiv nicht alles in die Waagschale wirft, haben wir bei den Niederlagen gegen Freital und in Ludwigsfelde gesehen. Doch ich denke, dass die Truppe dies verinnerlicht hat, zumal die Trainingswoche auch gut war.“
Personell ist zwar noch das eine oder andere Fragezeichen zu bearbeiten, doch auch davor ist dem FC-Coach nicht bange. „Jeder in der Mannschaft wird gebraucht – wenn der eine mal ausfällt, wird ein anderer in die Bresche springen. Die wochenlangen Probleme hinsichtlich der Urlaubsplanung haben wir nun hinter uns, so dass ich nun hoffe, dass wir uns fortan zu den Spielen breiter aufstellen können. Aber Fakt ist eins: Viel passieren darf bei uns im Kader nicht.“
Am Ende des Tages wird es für die Muldestädter in Thüringen darum gehen, sich zwischen sich und der Abstiegszone ein größeres Polster anzulegen. Dabei spricht die Bilanz gegen die Rudolstädter bisher für den FC. In acht Begegnungen bewies man in vier Begegnungen das größere Stehvermögen, weitere zwei Mal trennten sich die Teams unentschieden. Auch die zwei Niederlagen gegen die Heidecksburg-Städter sind in der Statistik von Abwehrspieler Lucas Bartsch enthalten – der Innenverteidiger ist der Einzige des aktuellen Kaders, der alle acht Begegnungen im FC-Trikot gegen die Thüringer absolvierte.
Der letzte Grimmaer Sieg im Städtischen Stadion ist allerdings über vier Jahre vergangen. Ende August 2020 siegten die Muldestädter bei einer wilden „Holzerei“ in Rudolstadt durch ein Selbsttor von Markus Baumann mit dem knappsten aller Erfolge – ein Ergebnis, über welches man sich im Grimmaer Lager selbstredend freuen würde. „Wir bleiben aber demütig“, so Trainer René Behring. „Wir wissen, wo wir herkommen und haben daher auch überhaupt keinen Grund irgendein Team aus der Oberliga zu unterschätzen. Und dabei spielt es auch keine Rolle, dass wir aktuell in der Tabelle ordentlich dastehen. Dieses Momentum wollen wir natürlich ausbauen, doch dies geht nur mit Leistung auf dem Platz.“
Tom Rietzschel
F.d.R. Hartmut Gerlach