Gefühlte sechs Punkte für die Einheit im Abstiegskampf
Als wir den dreifachen Torschützen der so wichtigen Partie in Westerhausen, Benjamin Bahner, fragten, ob er schon einmal drei Tore für die Einheit in einem Oberligaspiel erzielt habe, meinte er, dass dies durchaus mal so gewesen wäre, er aber nicht wüsste, wann das war. Nun hat der 31-Jährige zwar in der 5. deutschen Liga 109 Mal für Rudolstadt auf dem Feld gestanden und dabei immerhin 60 (!!) Tore erzielt, aber auf die Schnelle haben wir im Archiv keine weitere Dreifachausbeute des Jenaers gefunden.
Doch wir suchen weiter, dann in Ruhe, denn in Kürze steht die Fahrt zum Handball-Bundesligaspiel nach Magdeburg auf dem Plan. Doch wir werden am Nachmittag immer auch mit einem Ohr horchen, was sich zur selben Zeit beim HSV Bad Blankenburg in der GutsMuths-Halle tut.
Auch im Harz blieb der Gast in diesem „Sechs-Punkte-Spiel“ seiner Linie treu und kam zu einem frühen Führungstor. Bahner wuchtete die Kugel technisch perfekt und unhaltbar nach einer präzisen Eingabe von Maximilian Schlegel in die Maschen. Da waren grade einmal 13 Minuten gespielt. Zuvor verfehlte ein Schlegel-Frestoß aus 20 Metern das SV-Gehäuse nur um wenige Zentimeter (5.).
Bis dahin hatte der Gastgeber bei einem Standard (7.) und einem Schuss von Leo Hinrichsmeyer (9.) Möglichkeiten. Doch nach dem 1:0 für die Mannschaft von Holger Jähnisch kippte die Partie. Die Rudolstädter kamen zu mehr Spielanteilen und auch durch Schlegel (25., 29.) zu zwei sehr guten Einschusschancen. Dem standen Gelegenheiten von Tim Kolzenburg (32.) und Marcelo Franceschi (35.) gegenüber. Kurz vor der Pause waren die Hausherren mit Fortuna im Bunde, denn als Schlegel aus fast 40 Metern ins Richtung leeres Tor zielte, pumpte der Ball kurz vor der Line noch einmal auf und ging als Aufsetzer über die Latte (44.).
Nicht nur wegen des Rückstandes übte Marco Wagner, der Coach der Platzelf, nach 45 Minuten heftige Kritik an seiner Mannschaft. „Das war von der Mentalität, der Leidenschaft und Intensität her fast eine Frechheit, was wir auf dem Platz gezeigt haben. Das habe ich in der Halbzeit auch klar angesprochen. So können wir nicht auftreten“, schimpft er.
Holger Jähnisch zog diese kurze Resümee der 1. Halbzeit: „Dass man auswärts in Führung geht, ist immer gut.“
Im zweiten Durchgang sah Wagner ein besseres Spiel seiner Schützlinge. Doch auch die Rudolstädter, die sich in einem offensiv geführten Match nicht hinten reinstellten, suchten jede Möglichkeit, selbst gefährlich zu werden. So verlief die Begegnung beiderseits offen mit Chancen für Westerhausen in der 47., 54., 63. und 79. Für die Thüringer waren Treffer in der 56., 60., 65, und 75. Minute möglich.
Für viel Aufregung, vor allem bei den Einheimischen, sorgte dann eine Szene vor dem 2:0. Zuvor hatte Stefan Schmidt mit einer, wie selbst Wagner sagte, fantastischen Abwehrtat den Ausgleich verhindert. Markus Baumann blies mit einem Zuspiel zum Gegenangriff. In dem gab es ein Laufduell zwischen Konrad Schneider und einem Westerhäuser Verteidiger. Der strauchelte, Schneider hatte freie Bahn, bediente den mitlaufenden Bahner und der „Sack war zu“ (80.).
Dass man im Westerhäuser Lager noch zur Pressekonferenz sehr sauer auf den Unparteiischen war, kann man nachvollziehen. Sicher hätte man auf der Bank der Gäste ebenso reagiert, zumal der SV-Akteur im besagen Laufduell durch einen Tritt seinen Schuh verlor. Doch zur Ehrenrettung des keineswegs unerfahrenen sächsischen Referees (29) muss man anmerken, dass er mit der Beurteilung der Situation seiner Linie treu blieb und nicht jeden Intensiv geführten Zweikampf abpfiff.
Die journalistische Fairness gebietet es jedoch, auch hier wiederzugeben, was die Trainer dazu gesagt haben: „Der Schiedsrichter – ich bin kein Freund davon, gegen die Schiedsrichter etwas zu sagen, weil ich auch weiß, dass das ein Bruchteil von Sekunden ist – pfeift kein Foulspiel und sagt, dass ist ein Unfall. Dadurch fällt das 2:0. Dann ist das schon brutal. Ich muss sagen, dass das für mich eine ganz klare Fehlentscheidung ist und das Spiel dann auch entschieden hat“, urteilte der Übungsleiter des SV 1890.
Holger Jähnisch machte es zu dieser Szene kurz: „Mir ist es verständlicherweise egal, ob ein Foul gepfiffen wird oder nicht“, sagte dann aber zum Spiel: „Wir haben heute versucht, alles reinzupacken: Emotionalität, aber auch fußballerische Qualität. Das hat der Rasen – wir haben die letzten drei Monate fast nur auf Kunstrasen gespielt – auch zugelassen. In der 2. Halbzeit ist Westerhausen noch einmal richtig aufgekommen, hatte den Wind im Rücken und hat einfach und schnörkellos gespielt. Dann ist es wichtig, dass man sauber verteidigt und nicht zu tief steht.“
In der Nachspielzeit wurde der Rudolstädter Torjäger erneut, diesmal durch Marco Riemer, freigespielt und lenkte freistehend aus Nahdistanz locker ein. Dass die drei Tore nicht als Hattrick in die Geschichte eingehen werden, da ein Treffer schon vor dem Wechsel fiel, wird „Bahne“, wie ihn seine Mitspieler rufen, verschmerzen können. Wichtiger sind die sechs, pardon drei Punkte … .
Die Statistik
SV 1890:
Klötzer, Winter (62. Brahmann), Hägemann, Köhler, Neunmann, Kolzenburg (80. Lehmann), Eheleben (62. Salihoglu), Franceschi, Hinrichsmeyer (62. Staat), de Souza
FC Einheit:
Schmidt, Rühling (69. M. Baumann), Kaiser (69. Seturidze), Zarschler (69. Schneider), Fiedler, Schlegel, Krahnert, Rupprecht, Wachs (76. Noak). Bahner.
Schiedsrichter: Christian Schlömann, Zuschauer: 112
Torfolge: 0:1, 0:2, 0:3 Benjamin Bahner (13., 80., 90.+3)
Hartmut Gerlach